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Wie weiter?

Soeben haben wir von Rene und Helga ein Mail bekommen. Sie schreiben: „Seit Donnerstag, 14. April, ankern wir in Fatu Hiva, Marquesas. Nach einer 21 tägigen, problemlosen Überfahrt von San Christobal, Galapagos, durften wir gleich am 2. Tag bei einem polynesischen Erdofenessen teilnehmen.“ Helga und Rene sind aus Österreich und sind wie wir 2008 über den Atlantik mit einem unserer LIL sehr ähnlichen Schiff gesegelt. Wir haben sie vor ziemlich genau zwei Jahren hier in Prickly Bay, Grenada, bei einer Inseltour kennengelernt. Später sind sie gleichzeitig mit uns nach Trinidad gefahren – wir hatten dann sogar Funkkontakt. Auch sie stellten ihr Schiff bei Power Boats ab. Markus und Basil haben sie vor einem Jahr zufällig in den Tobago Cays wiedergetroffen. Sie beendeten gerade ihre zweite spannende Karibikrunde und waren wieder auf dem Weg nach Trinidad. Im Herbst 2010 sind sie durch den Panamakanal und Amigo schwimmt nun im Pazifik. Helga hat sich also dazu entschieden, obwohl sie wegen den langen Überfahrten zurückhaltend war – viele SeglerInnen zögern deswegen den Schritt in den Pazifik zu machen. Ausserdem gibt es nach dem Panamakanal kein Zurück mehr, es muss um die Welt gesegelt werden!

René und Helgas Mail weckt Sehnsüchte in mir: Polynesien, aber auch die 21 Tagen dauernde problemlose Überfahrt. Der Pazifik ist inzwischen auch für mich wie für Markus zum Reizwort geworden. Wir haben davon geträumt und manchmal denken wir noch immer laut darüber nach, ob wir nicht doch eines Tages durch den Kanal gehen werden: Vielleicht wenn die Kinder 7 und 12 Jahre alt sind? Auch das Erlebnis einer problemlosen Überfahrt  würde ich gern wieder machen: das kleine Schiff immer in der Mitte des Meeres, darüber der Himmel und dann nach Tagen plötzlich Land…
Das Mail verstärkt ein wenig das Gefühl, das ich bei unserer Ankunft in Prickly Bay hatte. Das Gefühl, nicht weiter  gekommen zu sein, noch immer mit dem Schiff in der Karibik zu tümpeln… Wo sind die anderen Leute, mit denen wir hier Freundschaft geschlossen haben? Vereinzelt erkennen wir Gesichter, aber die Mannschaft von Wild Vanilla mit ihren zwei Kindern Joshua und Jade sind schon vor einem Jahr in China gestrandet, allerdings ohne Schiff. Und wo ist wohl die Mannschaft von Pickles mit den vier Kindern an Bord? Wir wissen nichts Näheres, sie sind aber sicher über alle Meere!
Bloss bei der eigenen Geschichte bleiben: Wir haben in der Zwischenzeit unser karibisches Setzling gross gezogen, ein Geschenk weit wertvoller als jede Reise, als jede Weltumsegelung, eine Reise anderer Art, mit noch mehr Unbekannten und viel Versprechendes!

In Prickly Bay treffen wir dafür unsere neue Freunde Pierre und Yves wieder. Dieses Mal laden sie uns zum Nachtessen auf ihr Schiff Corto (Maltese) ein. Sie servieren uns eine Caipirinha mit dem aus Brasilien eingeführten Cachaça (Rum): köstlich! Yves hat zudem „arroz a la cubana“ gekocht, ein geschichtetes Reisgericht, mit Tomaten, Bananen – in Ermangelung an Bananen hat er Mango und  Ananas verwendet – getoppt von einem Spiegelei: herrlich! Die Kinder schlafen im Cockpit ein, so können wir noch in Ruhe plaudern. Wieder ein gemütlicher Abend, der lediglich von der Sorge überschattet wird, dass wir einer ihrer riesigen Kakerlaken (bis Size XXL: 5cm gross) auf LIL mitführen könnten. Bei ihrer Ankunft in Trinidad war ihr Schiff voll davon – sie hatten Mehl und Flocken an Bord behalten, zwar gut eingepackt, die Kakerlaken liessen sich jedoch von den Plastiksäcken nicht abschrecken. Sie haben wild geputzt und Gift gespritzt, sind die Insekten aber noch immer nicht los, erst gestern wachte Yves auf, als eines auf ihn krabbelte! Es wird ihnen nichts anders übrig bleiben als noch vor ihrer Atlantiküberquerung zurück nach Europa das Schiff auszuräuchern!

 Basil und Yves auf Corto

 

 

Ausserdem haben wir Len und Susi aus London kennen gelernt. Sie sind ausnahmsweise keine SeglerInnen, machen hier im Hotel Urlaub. Len ist ein leidenschaftlicher Taucher (scuba diving) und berichtet uns täglich von seinen Tauchgängen! Es gibt eine Stelle nicht weit von Grenadas Küste, an der vor 10-15 Jahren 100 Autowracks versenkt wurden: Die offizielle Erklärung dafür lautet, dass so ein neues Riff für Fische entstehen soll, wir argwöhnen jedoch, es könnte sich dabei um eine Entsorgungsmethode handeln. In Grenada wurde auch ein Unterwasserkunstpark geschaffen mit mehreren menschlichen Skulpturen, zum Beispiel von einem „verlorenen Korrespondenten“, der auf einer Schreibmaschine schreibt. Len meint zu Autos und Skulpturen, sie gehörten nicht hierher, er taucht aber gern bei Schiffswracks, die hätten einen Bezug zum Meer. Am Sonntag hat Len seinen Laptop mit seinen Tauchfilmen auf LIL gebracht: Wir bestaunen Rochen und Haie (nursing sharks), weniger die Schiffs- und Autoresten. Markus ist fasziniert von den Bildern, von der Stille der Unterwasserwelt – die Taucher bewegen sich sehr ruhig, nichts als ihr Atem ist zu vernehmen.
Nachdem wir den Korken von Len und Susis mitgebrachten Champagner – in einem mit Eis gefüllten Kübel – knallen lassen haben, öffnet Basil seine Bar – er hängt das Schild „OPEN“ an der Sprayhood – und verwandelt sich zum Barkeeper. Er bereitet den Gästen und uns die unterschiedlichsten Drinks: Sprite mit Guava Saft, Cola mit Passion Fruit Saft, Cola-Sprite-Passion Fruit usw. Alle Mischungen kommen gut an, bis auf die mit Fanta Grape (Trauben) – schmeckt wie Kaugummi („gross“ (grusig), sagte Susi dazu), Fanta orange schmeckt besser, färbt dafür Lippen (bei Basil auch deren Umschwung) und Mund nachhaltig orange. Nach einer Weile hängt Basil ein Schild mit zwei Strichen auf „ll“ und erklärt auf Nachfrage, das bedeute Pause: Ein Baarkeeper müsse schliesslich auch einmal essen! So isst er Salate (Karotten und Mais/Gurken) und die Spaghettis mit Tomatensauce. Dann tauscht er das Schild „ll“ wieder mit dem Schild „OPEN“ aus und serviert noch ein paar Drinks. Als die Gäste gehen wollen, hängt er dann das Schild „GLOSID“ auf! 
Susi spielt ausgiebig mit Luc, Len mit Basil. Darüber freuen sich Kinder und Eltern: Mir scheint, ich treffe auf immer weniger Erwachsene, die sich auch einmal mit Kindern beschäftigen, häufig wird das Gespräch unter Erwachsene gesucht und die Kinder als Störenfriede empfunden. Für mich ist es ein seltener Moment, in dem ich mich zurücklehnen kann, da ich sonst Luc meistens zumindest im Blickfeld behalte. Für Basil ist es schön, weil seine Freude an anderen Menschen jetzt auf Erwiderung stösst. Basil hat eine soziale Ader – wie auch Kompetenz -, was sich auch darin zeigt, dass er sehr gern Gäste empfängt. Er gestaltet dann mit selbst entworfenen Dekorationen (zum Beispiel Servietten und Tischkarten) den Tisch und macht sich selber gern schön – die Kleiderkombination entspricht nicht immer meinem Geschmack, zum Beispiel wenn er für den Ausgang ins Restaurant seine karierte Lieblingsshort zu seinem schönsten kariertem Hemd anzieht: Dann muss ich schon sehr fest auf meinem Mund sitzen, um nicht zu sagen, dass ich es ein wenig zu kariert finde! Als Walter auf LIL essen gekommen ist, hat er ihm ausnehmend festlich erscheinende Kleider ausgesucht. Ihm fiel dagegen auf, dass sich die Franzosen für unseren Besuch nicht besonders herausgeputzt haben!

 

Parat für den Ausgang

Es war schön wieder einmal britischer Humor zu köstigen: Besonders „amused“ hat mich die Geschichte von Susis Freundin, die zwei Töchter im Vorschulalter hat und wieder begonnen hat, zweimal in der Woche zu arbeiten: „It is a very nice experience, you can go to the toilet on your own and answer the phone yourself!“

Prickly Bay stellt sich also wieder als guter Ort heraus, um Bekanntschaften zu machen. Ausserdem gibt es einen schönen Strand, den wir um ca. 16 Uhr ansteuern, wenn die Sonne nicht mehr brennt oder auch mal früher, wenn es bewölkt ist. Luc und Basil graben Löcher, Luc füllt sie gern mit Wasser, Basil experimentiert mit Sandmauern oder Verbindungen zwischen den Löchern. Eines dieser Löcher sollte sich als Falle für Len herausstellen, als Markus und Basil das Paar in der Dämmerung mit dem Beiboot am Strand abholten! Luc dreht zudem gern grosse Runden, findet es lustig unter der Dusche zu springen und wenn er den Wasserhahn einmal entdeckt hat, können wir ihn nur unter Geschrei wieder davon lösen. Auch badet er gern im Meer, aber das vor allem in meinen Armen. Basil wird im Wasser immer mutiger, probiert auch Flossen und Taucherbrille aus. Er beginnt frei zu schwimmen und fragt regelmässig wie viel Meter er hinter sich gelegt hat: Acht Meter wie die Frösche im Schwimmkurs beglücken ihn! Es sei hier ein besonderer Frosch namens Ramona herzlich gegrüsst!

 

Am Sonntag erwartet uns ein besonderes Schauspiel: Fischer mit zwei Fischerbooten werfen ihr Netz direkt vor dem Strand ins Wasser. Es ist schwere Arbeit es auf den Sand zu ziehen, es ist viele Meter lang und erst  als beinahe das Ganze Netz schon auf dem Trockenen liegt, guckt die Beute hervor. Sie reicht wohl gerade für die vier Fischer! Viele kleine Fische sind im Netz gefangen, Basil macht sich an ihre Rettung. Nachdem er sie aus den Maschen herausgezogen hat, wirft er sie wieder ins Wasser, manchmal hat der Fisch nur noch „a chli gläbt“.

 

 Fischer Basil

 

„Der Strand, das isch mir am Wichtigschte“ sagt Basil. Als wir in Prickly Bay angekommen sind, drängt er darauf, auch noch nach Petit St Vincent und in die Tobago Cays zu fahren, auch Orte mit schönen Stränden, die er von seinen beiden früheren Aufenthalten in der Karibik kennt.  Markus und ich zerbrechen uns den Kopf über die Ferienplanung, schliesslich entscheiden wir uns vor allem Basil zuliebe für die Weiterreise. Es wird eng, ein Tag hinauf segeln, dort einklarieren, dann am nächsten Tag weitersegeln, dort bleiben, dann wieder dorthin segeln um auszuklarieren, dorthin segeln, da bleiben, ein Tag hinunter segeln und dann nach Trinidad weitersegeln! Das klingt nach einem Programm für Charterschiffe! Markus macht sich gerade mit den Unterlagen um auszuklarieren auf den Weg, als ich Basil frage, ob dies jetzt gut sei. Er antwortet: „hm, jaa, ja so…“ Das klingt gar nicht überzeugend und verlangt nach Klärung! Beim Gespräch zeigen wir Basil auf, dass wir ein ganzer Tag hoch- und dann wieder hinunter segeln müssen, um die nächsten schönen Orte zu erreichen. Auf die langen Schlägen hat Basil keine Lust, der Strand sei ihm eben das Wichtigste, hier und in Hog Island sei auch gut.
So haben wir uns entschieden hier zu bleiben und einfach auf dem Schiff den Alltag zu leben (kochen, abwaschen, aufräumen, putzen, waschen, einkaufen usw.) und für Ostern und den Osterhase müssen wir  auch noch alles parat machen. Wir haben mit den Dekorationen heute begonnen, es gibt dieses Jahr mit Filz überzogenen Kartoneiern. Dann wollen wir noch Eier anmalen. Basil rechnet mit einem Schulthek vom Osterhase, ich hoffe bloss, dass dieser das mit seinen Schwimmflügelis über den Atlantik schafft! Auch Schoggieier soll es geben, wenn die nur nicht schmelzen! Dazwischen machen wir Ausflüge, so waren wir auf dem farbigen Markt in St Georges, um uns mit Muskatnüssen einzudecken und wir sind auch in die Nachbarsbucht True Blue mit dem Beiboot gefahren. Basil hat geschaut, wo er dort zusammen mit anderen Kindern vor zwei Jahren Ostereier gesucht hat, Luc hat ein Becken mit Wasserschildkrötenn entdeckt und beide haben auf dem kleinen Spielplatz gespielt. Dann gab es ein feines Mittagessen. Heute Abend fahren Markus und Basil in der Nacht los, um in den Norden der Insel zu fahren, wo Schildkröten Eier auf den Strand legen kommen. Morgen fahren wir wohl mit LIL in die Nachbarsbucht Hog Island und am Donnerstag wollen wir eine KAKAO-Plantage besichtigen. In der Nacht von Freitag nach Samstag soll es dann wieder nach Trinidad gehen, der Wind hat dabei aber noch das letzte Wort.
Dieses Programm ist sicher auch für Luc das Schönste. Für ihn ist die Hauptsache, dass er Beiboot fahren kann, das ist ihm bei Weitem die liebste Aktivität. Er holt dafür die Schwimmweste selbst hervor, kann lachend kaum abwarten von Mama und Papa ins Boot gehievt zu werden und sagt immer „oh“, wenn der  Motor losbrummt und wenn Markus Gas gibt. Als wir anfänglich LIL au-revoir winkten, wurde er traurig, doch nun erinnert er uns daran, es zu tun. Als er vorgestern einschlief, hörte ich, wie er sagte: „bateau papa mmMM auvoi“!

 

Andrea

 

17.-18.-19. 4. 2011

 

 Luc und Basil am Strand

 

 Basil der Taucher

 

 

 Basil der Fischer